Steve Gibbons, über den in der erfolgreichsten Zeit seiner Karriere (in den 1970ern) öfter geschrieben wurde, dass er es aufgrund seines Talents weit bringen können hätte – wenn er nicht schon so alt wäre – wird heute achtzig.
Aus heutiger Sicht, in einer Zeit, da die Stones und Paul McCartney (zu beiden gibt es Berührungspunkte in der Karriere von Gibbons) noch die Arenen rocken, wenn Corona nicht den Spielverderber macht, erscheint das als klarer Fall von Altersdiskriminierung. Jethro Tull (auch zu dieser Band gibt es Querverbindungen in der Karriere von Gibbons, ebenso zur Plastic Ono Band, den Wings, YES und ELO) haben es einmal so formuliert: „Du bist nie zu alt für Rock ’n‘ Roll, wenn du noch zu jung zum Sterben bist.“
Wer Gibbons, kurz vor den Pandemie, mit 78 Jahren mit der erst kurz zuvor zusammengestellten British Blues Explosion in Deutschland oder Slowenien live erlebt hat, wird zustimmen: Man kann auch an der Schwelle zum neunten Lebensjahrzehnt noch eine verdammt gute Show liefern und Spielfreude, spontane Fabulierlust und Erfahrung zu einem Gesamtkunstwerk vereinen.
Wie aber beschreibt man Steve Gibbons jemandem, der (mindestens) ein halbes Jahrhundert jünger als er ist?
Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten des Zugangs:
- Da ist zum einen die Geschichte eines Zeitzeugen (man könnte auch sagen: eines zweiten Siegers), also von jemanden, der in seiner Karriere viel und viele gesehen hat, mit vielen gemeinsamen aufgetreten ist. Und erleben musste, dass mancher, der weniger Können und Charisma hat, eine wesentlich größere Karriere gemacht hat.
- Zum zweiten ist da ein Autor, der auf der einen Seite nicht nur – „Love and Theft“ lässt grüßen – Schemata und Narrative von Chuck Berry und Bob Dylan in seine eigenen Zusammenhänge überträgt, sondern in seinen besten Momenten auch die Eisbergtechnik von Hemingway (bei der nur das Geschehen um die eigentlichen Ereignisse berichtet werden, wodurch diese letztere umso plastischer vor den Augen des Zuhörers sichtbar werden) mit den Stereo (oder sollte man besser sagen: Mono?)Typen von Raymond Chandler und einem schauspielerischen Können, dass all diese Dinge zu einem Ein- Personendrama zusammengefügt.
- Vor allem aber ist da ein Musiker, der mit seiner Band und als Solokünstler ein Oeuvre geschaffen hat, das vor Vielfältigkeit strotzt, aber leider nach Beginn der 1980ern in Kontinentaleuropa nur mehr sporadisch erhältlich war. Hier finden sich beinharter Rock (der in den Livekonzerten noch dynamischer rüberkam: als Vorgruppe von The Who vor mehren 10.000 Zuschauern zwei Zugaben spielen zu können – das soll einem einmal einer nachmachen), wunderbare Balladen, Einsprengsel von British Folk, Reggae und Jazz. Und mit „Chasing Tales“ ein Alterswerk, das von der Konsistenz, aber vor allem auch stimmlich, das hochgelobte zuletzt erschienene Werk des Leitsterns von Steve Gibbons Bob Dylan, weit übertrifft.
- Und dann ist da noch der Maler und Tüfftler, der seine eigenen Plattencovers gestaltet, der Bibliophile, der wache Geist mit viel Humor bei Backstage- und After Show-Unterhaltungen …
Viele Facetten, die wir auf dieser Internetseite nachzeichnen – oder dies zumindest versuchen.
Für heute veranstalten wir, leider nur virtuell, eine große Party in einem Hot Club in Dreamland. Und die könnte so aussehen:
Down the Road Apiece, hat Chuck sein Car geparkt, zwischen einer B.S.A. und einer Triumph Boneville, gerade noch rechtzeitig, bevor wegen der Street Parade Any Road Up geschlossen worden war. Buddy und der Tupelo Flash, die beide dem Rock`n`Roll ihr Leben widmeten, haben es von Down in the City geschafft, nicht in einem Idle Race, sondern mit dem Bus, nicht ohne dass sie vom Fahrer ermahnt wurden, das Spucken bitte sein zu lassen, solange er am Steuer sitzt.
Johnny Cool schnüffelt an einem Paket, in dem er „Love Potion No. 9“ vermutet, während Velda Eddy Vortex vom Jazz erzählt, aber eigentlich The Natural Thing mit ihm tun möchte. Tulane hat ihren Novellty Store heute geschlossen und genießt American & British Rock`n`Roll auf diesem Social Dance, auf dem es alle Arten von Musik, aber garantiert keinen Synthezir gibt.
Diejenigen, die es etwas ruhiger wollen plaudern lassen haben die Stühle zusammengestellt. Mr. Jones, Grace, Manjana und Big J. sitzen nicht Down in the Bunkers, sondern somewehere Home from Home, watching the river flow und wissen, es wird Alright sein, Till the Fire Burns Out.
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