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Birmingham in den 1950ern
Birmingham muss in den 1950ern eine Stadt mit vielen Problemen, aber gleichzeitig auch sehr lebhaft gewesen sein.
Wenn Sie wollen, können Sie uns hier zu einem filmischen Streifzug durch die Stadt begleiten. Der Soundtrack belegt auch die Veränderungen, die die Musik in diesem Jahrzehnt durchlief:
Damals wurden viele der alten Arbeiterviertel abgerissen und überall in der Stadt wurde neu gebaut. Auch die Bevölkerung erneuert sich, da viele Menschen aus Commenwealthstaaten in die von der Industrie geprägte Stadt immigrierten. Dies wird auch Spuren in der Musik und den Texten von Steve Gibbons hinterlassen.
Nach wie vor war der Krieg präsent. Und in seinem Umfeld herrschte eine sozialkritische Haltung. Jon Savage zitiert ihn in seinem Buch „1966: The Year the Decade Exploded“ (1966: Das Jahr, in dem das Jahrzehnt explodierte):
At school we had a great maths teacher. He’d been in Bomber Command and it was easy to get him talk. He was obviously Labour through and through. He never talked about the war which I’d I’d love to have talked to him about – but he talked about McCarthyism, the witchhunt, and what the future would be like. The war had a massive impact on my generation because of the way it shaped everything. All of that had a bearing on me as a musician.“/In der Schule hatten wir einen großartigen Mathelehrer. Er war im Bomber Command gewesen, und es war leicht, ihn zum Reden zu bringen. Er war offensichtlich durch und durch Labour. Er sprach nie über den Krieg, über den ich gerne mit ihm gesprochen hätte – aber er sprach über McCarthyismus, die Hexenjagd und wie die Zukunft aussehen würde. Der Krieg hatte einen massiven Einfluss auf meine Generation, weil er alles geprägt hat. All das hatte einen Einfluss auf mich als Musiker“.
Zu diesem linken Pazifismus kam im unmittelbaren familiären Umfeld auch eine religiös bedingte Ablehnung von Krieg und Kriegsdienst.
Dazu wiederum ein Zitat aus dem Buch von Savage:
Gibbons also witnessed the exercising of social conscience within his family, prompted by the period`s leading Christian evangelist: „I have a brother, six years older than me, who became a conscinetious objector. He went to see Billy Graham in the late 1950s. When the call-up came for national service, he refused to go. He had to face a tribunal and it was on the front page of the Birmingham Mail for everyone to see. My mother was furious, but I was proud of him what a great thing to do./Gibbons war auch Zeuge der Ausübung des sozialen Gewissens in seiner Familie, was durch den führenden christlichen Evangelisten dieser Zeit verursacht war: „Ich habe einen Bruder, der sechs Jahre älter ist als ich, und der wurde ein Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Er besuchte Billy Graham in den späten 1950er Jahren. Als die Einberufung zum Wehrdienst kam, weigerte er sich zu gehen. Er musste sich einer Verhandlung stellen, und es war auf der Titelseite der Birmingham Mail für alle sichtbar. Meine Mutter war wütend, aber ich war stolz auf ihn, was für eine großartige Sache, die er getan hat.“
Zuerst: Saubere britische Musik statt „schmutziger“ US-amerikanischer
In Deutschland brachte die zweite Hälfte der 1940er mit den US-Besatzungstruppen eine Amerikanisierung des Lebens und auch der Musik.
In Großbritannien war dies gerade andersherum: Die ursprünglich dort stationierten US-Truppen befanden sich nach der Invasion in der Normandie in Deutschland oder sie waren schon wieder zuhause in den U.S.A. Dadurch verschwanden in Großbritannien erst einmal die sittlich verderblichen musikalischen Einflüsse vom anderen Kontinent und die Musik wurde wieder „sauber“.
Laurie Hornsby schreibt dazu im ersten Teil seiner zweibändigen Geschichte der Birminghamer Rockmusik von den 1950ern bis zu den 1970ern:
„Music was proper again. The Yanks had gone home. Now there were proper tunes with proper words, performed by proper artists with perfect diction…. The Yanks had gone and taken their jitterbug –ging with them“/“Die Musik war wieder sauber. Die Amis waren nach Hause gegangen. Nun gab es wieder saubere Texte , vorgetragen von sauberen Künstlern mit ordentlicher Aussprache. .. Die Amis waren weg und hatten ihr Jitterbug-Zeugs mitgenommen.“ ( Laurie Hornsby in Brum rocked, S. 7 und 8)
Mit dem Ab- und Weiterzug der US-Truppen war der ach so unmoralische Jitterbug aus der britischen Klangwelt verschwunden.
Die „Lieblinge der Familie“: Das Radio und seine Musik
Deshalb prägten für`s erste andere Musikstile Steve. Dessen älterer Bruder hörte nämlich Jazz. Außerdem saß die Familie oft vor dem Radio und hört gemeinsam die Sendung „Family Favorites“, in der britische Soldaten im Auslandseinsatz Grüße senden konnten und Musikwünsche erfüllt bekamen.
So kam ein buntes, genreübergreifendes Programm zusammen, mit Stücken, die man ansonsten in der BBC kaum zu hören bekam. Besonders erinnert sich Steve noch an Nat King Cole, Fats Waller und Ottilie Patterson, die Sängerin der Chris Barber Band. (Zu dieser Zeit hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass Chris Barber mal auf einer seiner eigenen Schallplatten mitwirken würde.)
Amerika kehrt zurück – Und wie!
Ab 1955 war dann aber wieder Schluss mit den „unamerikanischen“ musikalischen „Mister Proper“-Zeiten auf der britischen Insel.
Schuld daran war ausgerechnet ein Mann, der auf den ersten Blick nichts von Rock`n`Roll an sich hatte. Er war nämlich
- bereits dreißig (also für Rock-Verhältnisse ein Methusalem),
- und übergewichtig,
- Und dann erst dieses kleinkarierte Jackett!
Bildquelle: Wikipedia: Klau Klettner, Hydra Records, Bill Haley Museum München
Kaum zu glauben, dass dies die Speerspitze einer Jugendbewegung, die vor allem als aufrührerisch wahrgenommen wird, war!
Tatsächich starteten „Shake Rattle and Roll“ und dann vor allem „Rock around the Clock“ aus dem Film „Blackboard Jungle“ (Saat der Gewalt) eine Revolution.
Auf dieser Welle landete dann irgendwann auch „Heart Break Hotel“ in der Hitparade. Gesungen von Elvis.
Der war zwar für einen echten Rebellen immer noch (zu) schnicke angezogen, verkörperte aber jugendliche Auflehnung wesentlich glaubwürdiger als der Combo-Leader aus dem Film. Und sexy war er auch noch.
Skiffle: Do-it-yourself-Musik made in GB
Mit Ankunft des Rock`n`Roll kam Leben in die britische Musikszene. Und es entwickelte sich mit dem Skiffle eine Art britischer Gegenbewegung zum Rock`n`Roll.
Musikalisch basierte dieser Stil auf denselben Wurzeln, nämlich der anglo- und afro-amerikanischen Folk-, Country-, Blues– und Jazzmusik. Auch die Themen waren nicht unbedingt ur-britsch: Vor allem ging es um Eisenbahnfahrten. (Auch wennn die Eisenbahn auf der britischen Insel erfunden worden war, eintwickelte sich die dort besungenen Eisenbahnromantik doch in den USA.)
Eigenständig war jedoch die Instrumentierung.
- Während beim Rock`n`Roll das Beste an Instrumenten gerade gut genug sein konnte, und die Gitarre elektrisch sein sollte, war bei vielen Skifflegruppen die Akkustikgitarre meist das einzige, was aus dem Laden stammte.
- Der Rest wurde in Heimarbeit gebaut.
- Oder es wurden einfach Alltagsgegenstände zum Erzeugen von Tönen umfunktioniert: Vom Teekistenbass bis hin zum Waschbrett reichte hier das Spektrum.
- Und auch Eimer und Blechtonnen kamen als Perkussionsinstrumente zum Einsatz, während einer alten Gießkannen schon einmal ein neues Leben als Blasinstrument geschenkt werden konnte.
Musikalisch wurde die Skiffle-Musik schon einmal als „Folk Song With a Jazz Beat“ bezeichnet. Der Hinweis auf den Jazz, in dem ja meist sehr komplexe Akkorde verwendet werden, kann jedoch in die Irre führen. Die meisten Skiffle-Songs kamen mit drei Akkorden aus.
Insgesamt war viel „Do-it-Yourself“ in der Skiffle-Musik. Das Motto „This is a chord, this is another, this is a third. Now form a band“, das später für den Punk gelten sollte, beschreibt den Skiffle ebenso. Skiffle schwappte auch nach Europa, hatte sich – von gelegentlichen Wiedergängern abgesehen – Ende der 1950er aber schon weitgehend totgelaufen.
Was aber blieb war, dass der Brite Lonnie Donnegan mit dieser Musik, die eigentlich jeder machen kann, es zum Megastar gebracht hatte.
Der Beweis, dass man es auch als Brite mit Musik zu etwas bringen konnte, ohne dass man ein Virtuose sein musste, war also erbracht. Das motivierte viele dazu, es selbst mit der Musik zu versuchen.
Buddy Holly 1958 und 1996
Eine weiteren Motivationsschub dafür gab es im Frühjahr 1958.
Damals tourte Buddy Holly durch Großbritannien und machte am 10. März auch für zwei Konzerte in Birmingham Halt. Lange kann er dabei nicht gespielt haben. Das erste Konzert begann um 18:15, das zweite um 20:45 und er hatte vier Vorgruppen.
Der britische Autor Laurie Hornsby sieht in Buddy Holly und insbesondere dessen Song That`ll be the Day eine Art Brücke vom Skiffle hin zum Rock`n`Roll. Dieselbe Struktur, dieselben drei Akkorde, aber leicht andere Phrasierung und – vor allem – eine prägnante Sologitarre.
Diese sollte nicht nur stilistisch Vorbildfunktion haben. Nach Buddy Holly mit seinem damals futuristisch wirkenden Stratocaster waren Wanderklampfen und selbstgebaute Instrumente auf einmal mega-out.
Auch auf Steve Gibbons hat Buddy Holly einen starken Einfluss. Wer No Spittin`on the Bus hört, kann die Verwandtschaft zu Not Fade Away hören. Und auf seinem Album Stained Glass singt er im Jahr 1996 – und damit fast vierzig Jahre nach dem Birminghamer Auftritt des frühverstorbenen Texaners mit der Krankenkassenbrille (die die deutsche Band Die Ärzte 1985 zu dem Lied Buddy Holly’s Brille inspirierte) – u.a.:
Hey Buddy, you`re on my mind
Something about the way you played that made you sound devine
When we get old you`ll still be young, as evening shadows fall
I study you Buddy, you`re on my mind
Hey Buddy, ich denke an Dich
Irgendetwas an der Art, wie Du gespielt hast, liess Dich göttlich klingen
Wenn wir alt werden, wirst Du immer noch jung sein, wenn die Abendschatten kommen
Ich lerne von Dir, Buddy, ich denke an Dich
Chuck Berry kommt – und bleibt
Ein weiterer Einfluss war Chuck Berry, dessen Sweet Little Sixteen in Großbritannien drei Monate nach dem Birminghamer Konzert von Buddy Holly Platz 16 der britischen Charts belegte. (In den 1960er und 1970ern erreichte er noch höhere Platzierungen, wenn auch mit teilweise erheblich schwächeren Songs).
Chuck Berry war auch der Grund, warum sich eine Band, die in den frühen 1960ern in Birmingham von sich reden machte, die The Rockin` Berries (Die Rockenden Beeren) nannte – ohne allerdings selbst nach Chuck Berry zu klingen.
Bei Steve Gibbons war das anders:
Seine größten Singleerfolg sollte er mit dem Chuck Berry-Song „Tulane“ haben. Außerdem beeinflusste Chuck Berry das Songwriting von Gibbons. Und schließlich widmete er mit Chuck in my Car seinem Idol ein Lied. In diesem beschreibt er auf dem Album „On The Loose“ die gleichermassen beschwingende wie entspannende Wirkung von Chuck Berry Songs beim Autofahren.
Kurzer Ritt durch die Skiffle-Welt: „The Kentuckians“
Aber zurück nach „Brum“ in den 1950ern:
Auch an Steve Gibbons ging der Skiffle nicht spurlos vorbei. Im Jahre 1958, so berichtet das Booklet zu seiner CD-Werk -Retrospektive „There & Now“ Volume One, investierte er einen Monatslohn als Klempnerlehrling in ein gebrauchtes Banjo. Mit drei Freunden gründete er danach die Band „The Kentuckians“.
Etwas ausführlicher widmet sich Jürgen Wanda in seinem Buch Blackberry Way MOVE, ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA, Roy Wood, Jeff Lynne und STEVE GIBBONS BAND (Balve 1996, S. 23) dieser Phase und zitiert dabei Steve Gibbons selbst:
Ich hörte ziemlich viel Radio. Als ich Lonnie Donnegans „Rock Island Line“ hörte, kaufte ich mir eine Ukulele und gründete mit meinen Kumpels sofort eine Band. Ich ging von der Schule und arbeitete einige Zeit als Mauerer. Aber das hat mich gelangweilt und ich wollte meinen ganzen Ehrgeiz in die Band stecken.
(Haben Sie es gemerkt? Einmal war von einer Ukulele und ein anderes Mal von einem Banjo die Rede.)
Viele Auftritte scheint diese Band nicht gehabt zu haben, Das Booklet zu „There & Now“ spricht sogar von nur einem. Ein paar mehr scheinen es aber gewesen zu sein. In dem Buch von Wanda erinnert sich Gibbons nämlich:
Von Zeit zu Zeit bekamen wir auch einige Angebote, aufzutreten, Allerdings hatten wir natürlich keine Transportmöglichkeit. Wenn wir zu den Gigs gingen, fuhren wir mit dem Bus – mit der ganzen Ausrüstung. Das war war auch überhapt kein Problem, weil wir die drei Gitarren alle an eine 12-Watt-Verstärker anschlossen und unsere Drummer nur ein Hi-Hat hatte. Wir hatten kein Geld, um eine Baßtrommel zu kaufen, so stampfte er mit dem Fuß auf den Boden
Auch wenn die Band sehr kurzlebig war: Ein Anfang war gemacht!
In der Zeit danach wurde verfiel Steve jedoch, wie viele damals, dem Einfluss von Elvis Presley, den Gibbons in einem Interview einmal, wohl zu recht, zusammen mit Marylin Monroe, als ersten Weltstar bezeichnet.
Erweckungserlebnis im Kino
Nach Hornsby dagegen hatte Steve sein Erweckungserlebnis, das ihn endgültig dazu brachte, Musik nicht nur zu hören, sondern auch zu spielen, erst Anfang 1959.
Dies soll sich passender Weise an einem der hohen Plätze der Populärkultur in Birmingham, dem 1937 eröffnete Odeon Kino in der New Street, das in den 1970-ern und frühen 1980ern auch als Konzerthalle genutzt werden sollte, ereignet haben.
Dort wollte sich der junge Steve eigentlich nur einen Film ansehen. Aber es kam anders.

Damals gab es dort zwischen Werbung und Hauptfilm ein musikalisches Intermezzo. Dieses Mal waren es Tommy Hawk and the Hatchets, die dort live auftraten.
Steve verfolgt den Auftritt mit besonderem Interesse, weil dort Tommy „Sid“ Hawkes, ein früherer Klassenkamerad aus der Station Road Secondary School sang.
Steve erinnert sich:
It was the first band I`d ever seen. And Sid, from school, with a black rose guitar was up there doing just what I wanted to do/Das war die erste Band, die ich hörte. Und da war Sid aus meiner Schule, mit einer schwarzen Rose-Gitarre und machte das, was ich machen wollte (Brum rocked, S. 50)
Reiselust als Zusatzmotiv
Die Leidenschaft für die Musik und der Wunsch, vor anderen aufzutreten, war aber nicht der einzige Grund, warum Gibbons Mitglied einer Band werden wollte, sondern auch die Reiselust, die man als erfolgreicher Musiker pflegen konnte. Für dieses Ziel wäre er sogar bereit gewesen, seine grundsätzliche pazifistische Haltung zurückzustellen und Soldat zu werden. Dazu wiederum ein Zitat aus dem Buch von Savage:
Like many 60s teenagers, Gibbons would be liberated by the end of the national service the cut-off age for the last entry was 1 September 1900 90 1939, and he was born in mid July 1941. He didn`t see it that that way at the time: „I just missed conscription, but if I`d been called up, I’d have gone like a shot. It was theIt was the travel. I know it’s selfish. I’ve seen guys come back from the national service in Aden, Cyprus and they `d have suntans and tatoos, they were full of stories. They were men. I did the next best thing and I formed a band.“/Wie vielen Teenager der 60er Jahre kam ihm das Ende der Wehrpflicht zugute. Der Stichtag für den letzten Einzug war der 1. September 1939 als Geburtstag und er wurde Mitte Juli 1941 geboren. Damals sah er es nicht so: „Ich habe die Wehrpflicht knapp verpasst, aber wenn ich einberufen worden wäre, wäre sofort gegangen. Wegen des Reisens. Ich weiß, es ist egoistisch. Ich habe Jungs gesehen, die vom Wehrdienst in Aden, Zypern, zurückkamen, und sie hatten Sonnenbräune und Tätowierungen, sie waren voller Geschichten. Sie waren Männer. Ich tat das Nächstbeste und gründete eine Band.“
Von der „Jugendbrigade“ zur Rockband
Wie aber Mitglied einer Band werden?
Die Gelegenheit eröffnete sich über eine christliche Jugendgruppe. Steve war damals Mitglied der 64th Harborne Boys`Brigade, der örtlichen Sektion einer internationalen ökomenischen Organisation, die sich folgendes zum Ziel gesetzt hatte:
The advancement of Christ’s kingdom among Boys and the promotion of habits of Obedience, Reverence, Discipline, Self-respect and all that tends towards a true Christian manliness/“Die Förderung des Reiches Christi unter den Jungen und die Förderung der Gewohnheiten von Gehorsam, Ehrfurcht, Disziplin, Selbstachtung und von allem,, was zu wahrer christlicher Männlichkeit führt.”
Bei einem der Treffen dieser pfadfinderähnlichen „Brigade“ erzählte ihm Alan Cox, Mitglied der Dominettes, dass die Gruppe einen Nachfolger für deren Sänger Colin Smith suchen würde.
Und auch die Berichte über den weiteren Fortgang der Dinge unterscheiden sich.
- Laut Hornsby (Brum rocked) erzählte ihm Steve über diese Phase, dass er einige Elvis-Songs eingeübt und vorgesungen hätte. Worauf er in die Band aufgenommen worden wäre.
- Im Interview auf der hörenswerten DVD „Live at the Kofferfabrik“ erzählt Gibbons selbst allerdings, dass das entscheidende KO-Kriterium ein Song von Eddie Cochrane gewesen sei, nämlich „Com` on„. Der wäre damals eine großes Ding gewesen, und weil er ihn kannte (und konnte) hätte er die Stelle als Leadsänger bekommen.
- Und in dem Buch von Wanda (dort S. 24) wird erzählt, dass Gibbons nur den ursprünglichen Sänger während einer Erkrankung ersetzen sollte, der sich dann aber ganz aus der Musik zurückzog. Womit Gibbons der Sänger der Gruppe blieb. Da er bald danch von seinem Job als Klempner, den er mittlerweile angenommen hatte, gefeuert wurde, begann kurz danach auch Gibbons Leben als Berufsmusiker.
Verschiedene Versionen ein und desselben Geschehens. Sei, wie es mag. Mit den Kentuckians waren Auftritte noch eine Gelegenheitssache, seit dem Beitritt zu den Dominettes macht Gibbons regelmäßig Live-Musik.
Und bereits der erste Auftritt mit dieser Formation soll denkwürdig gewesen sein. Aus Gründen, die weniger muiskalisch waren. Im Publikum soll nämlich eine Schlägerei zwischen Teddy Boys, also der damals angesagten Jugendbewegung, ausgebrochen sein, bei der auch Stühle flogen.
Steve scheint das nicht sehr gestört zu haben. Von da ab stand er jeden Freitagabend mit den Dominettes in einem Club namens Calfornia in Birminghamauf der Bühne.
Die Band bestand damals aus
- Steve Gibbons (voc., guit.),
- Jimmy Holden (drums).
- John Hustwate (bass),
- Bob Burnett (guit) und
- John Gordon (keyboards).
Das Repertiore der Band veränderte sich allmählich. Der Skiffle verschwand aus dem Pogramm und Tageshits von Elvis, Cochrane, Gene Vincent und Jerry Lee Lewis kamen auf die Setlist, ebenso Motown-Songs.
Die vielen Bedeutungen des Wortes „Joint“
Jahre später erinnert sich Steve Gibbons an sein zweitweises Doppelleben als Klempner und Rockmusiker. Und lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, dabei mit der Mehrdeutigkeit des Wortes „joint“ sein (Wort)Spiel zu treiben.
„Joint“ bezeichnet im Englischen nämlich sehr unterschiedliche Dinge, denen aber gemeinsam ist, dass sie etwas verbinden – oder auch Menschen zusammenbringen.
- In Deutschland bei Fans der Rockmusik wissen sicher viele, dass das Wort „Tüte“ (insbesondere solche mit speziellen Inhalten) bedeuten kann.
- Ebenso kann das Wort, wie im Jailhouse Rock von Elvis, den „Knast“ bezeichnen.
- Joint kann jedoch auch „Gelenk“ oder „Anschluß“, auch im handwerklichen Bereich, sein.
- Das Wort kann jedoch auf für „Bude, Schuppen“ (im Sinne einer Kneipe) stehen.
Mit dieser Mehrdeutigigkeit spielte Gibbons, als er sich erinnerte:
It was great! I was an apprentice plumber on those days, so I figured I`d fix the joint by day, and rock the joint by night/ Es war großartig! Zu der Zeit war ich Klempnerlehrling, so dass ich mir vorgestellt habe, wie ich tagsüber die Anschlüsse repariere und abends die Bude zum Wackeln bringe. (Brum rocked, S.50)
Steve war jetzt 18 und Mitglied einer Band.
Gibbons der beste „Elvis“ in „Brum“
Gibbons ist aber auch ohne Band erfolgreich. Im Jahr 1959 gewinnt er einen lokalen Elvis Presley-Imitatoren-Wettbewerb.
Ein Erfolg. Trotzdem hätte er sich sicher nicht vorstellen können, dass in im Verlauf der Karriere, die er soeben eingeschlagen hatte, ihn einmal der Scooty Moore, der Gitarrist von Elvis, begleiten würde, wenn er vor laufenden Filmkameras „Heart Break Hotel“ singt.
Mit dem Beitritt zu den Dominettes und dem Gewinn des Elvis-Wettbewerbs war der Anfang einer jahrzehntelangen Karriere gemacht.
Die 1950er gingen zu Ende.
Wenn Steve Gibbons damals eine Wahrsagerin besucht hätte, hätte sie ihm – wenn sie gut gewesen wäre – vorhergesagt, dass im nächsten Jahrzehnt eine harte Lehre, viele Veränderungen, aber auch ein erster Chart-Erfolg im fernen Australien folgen würde. Und, dass trotz der Erfolge in den 1960ern, am Ende dieses Jahrzehnts die weitere Zukunft für Steve Gibbons mindestens genauso ungewiss sein würde, wie zum Ende der 1950er.
Hier geht es weiter zu den 1960-ern.
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