Das Album
Wegen der Live-Qualitäten der Steve Gibbons Band war es konsequent, dass als dritte LP kein Studioalbum sondern eine Liveaufnahme veröffentlicht wurde. Aufgenommen in derselben Besetzung wie die beiden Alben vorher (Bass, Vocals – Trevor Burton, Drums – Bob Lamb, Lead Guitar, Keyboards, Vocals – Bob Wilson, Lead Guitar, Vocals – Dave Carroll, Lead Vocals – Steve Gibbons) und wiederum von Kenny Laguna als Produzent betreut, erschien sie 1977 unter dem Titel „Caught in the Act„, was ungefähr so viel bedeutet wie „auf frischer Tat ertappt“. (Der Titel spielt also auf das Gangster-und Halbwelt-Image, das sich die Band gab, an.)
Enthalten sind Liveaufnahmen folgender Stücke:
Watching The River Flow |
Light Up Your Face |
Clothes Line (Wrap It Up) |
Git It |
Gave His Life To Rock ‚N‘ Roll |
And The Music Plays On |
Day Tripper |
One Of The Boys |
You Gotta Pay |
Tulane |
Speed Kills |
Rollin |
Unter zwölf Songs finden sich als nicht weniger als fünf Coverversionen, wobei es sich nur bei „Day Tripper“ um einen weithinbekannten Mega-Hit der Originalinterpreten handelt.
„Eine Band, die Reißnägel frißt“
Zur Verkaufsförderung finden sich auf dem Frontcover Kritiken von Konzerten, die die Band an so illustren Orten wie dem Whiskey in Los Angeles, dem Palladium in New York oder dem Marquee in London gegeben hat. Für diese würde als Überschrift die Bewertung, die ein Fan mehr als 30 Jahre nach dem Erscheinen der LP im Internet abgegeben hat, passen:
I saw these guys live in 1975 supporting „The Who“ on their US tour, and they tore the place up. It’s a good thing the „Who“ were headlining because a lot of bands wouldn’t have been able to top their live show !!
Fasst man die Konzertkritiken auf dem LP-Cover zusammen, dann ergibt sich folgendes Bild:
- Die SGB hatte sich durch die Amerikatourneen mit The Who drastisch weiterentwickelt und konnte nun auch ohne Not große Auditorien bespielen, hatte also die „Platzreife“ für Stadionkonzerte erlangt.
- Dabei kombinierte sie die „Rohheit der jungen Who“, mit instrumentalem Können.
- Bezüglich der beiden Gitarristen Dave Carroll und Bob Wilson („different species of praire runners in appearance – Cody and his chief scout“) wurde hervorgehoben, dass sie „zwei völlig unterschiedliche Stile spielen, die geschickt zusammenpassten“ („two utterly different stylest hat meshed neatly“) spielten. An anderer Stelle ist sogar von „tödlichen doppelten Melodiegitarren“ ( „lethal double leads“) die Rede.
- Zusammen mit Trevor Burton am Bass und Bob Lamb an den Drums wird der Band attestiert, dass sie „eine Truppe voller ungewöhnlicher Kraft“ („a squad of unusual power“) war.
- Und zum Sänger finden sich Charakterisierungen wie „powerhouse of a vocalist in the Dalterey/J. Geils vein, possessing a natural rock`n`roll acting ability and surprisingly personable stage presence despite a macho image“
- Insgesamt wird Steve Gibbons attestiert, das seine Stimme „the group`s chief asset“ sei. Diese Stimme könne „Tapeten abreisen“ und Gibbons Auftreten würde sogar einen so harten Kerl wie Johnny Cash als Trottel dastehen lassen („a stance that would make a tought guy like Johnny Cash appear to be a ninny“).
- Gleich zweimal wird darauf hingewiesen, dass man die Band leicht für eine „Southern boogie band“, die „from somwhere north of Georgia“ käme, halten könnte. Lynyrd Skynyrd wird in diesem Zusammenhang genannt.
Und auch andere Kritiker loben das Album. So auch der amerikanische Krtiker Robert Christgau, der den beiden Studio-LPs wenig abgewinnen konnte. In dem ihm eigenen schnoderigen Stil weist er zuerst darauf hin, dass man aus US-amerikanischer Sicht keinen „britischen Bob Seger“ benötigen würde,
Neither of Gibbons’s first two albums convinced me that the world needed a young Bob Seger–which meant among other things a craftsman who hadn’t yet mastered his craft.
um dann lobt die Auswahl der von Gibbons gecoverten Songs auf „Caught in the Act“ und dessen eigens Werk „Gave His Life to Rock`n`Roll“ zu loben:
But this time he’s writing ‚em and picking ‚em with a sharp nose for the cliche. Assholes the world over cover Berry and Dylan on the live album, but they won’t risk unrecognized classics like „Tulane“ and „Watching the River Flow,“ which is why they’re assholes. And how many other craftsmen could imagine a mock myth called „Gave His Life to Rock ’n‘ Roll“?
Und in der deutschen Zeitschrift SOUNDS (8/78) bezeichnete Hans-Will Andersen das Album als
„einer derjenigen Live-Mitschnitte, die die ganz knallharte Athmosphäre eines Rock-Konzertes rüberbringen.“
Ruhigere Sachen fehlen
Der Schwerpunkt der Platte und der Besprechungen dazu lag also auf den „harten Sachen“. Interessanterweise werden in den auf der Plattenhülle abgedruckten Konzertkritiken auch Songs (wie Spark of Love Please Don´t Go, All right Now, Strange World) positiv hervorgehoben, die auf dem Album nicht zu finden sind.
Dies sind alles Lieder in einer gemäßigteren Gangart. Deshalb ist dieser Umstand ein deutlicher Hinweis darauf, dass es bei dem Album nicht darum ging, die gesamte musikalische Spannweite der Band und ihrer Konzertauftritte abzubilden, sondern vor allem die rockige Seite hervorzuheben.
Was bei dieser Scheibe absolut gelingt. Zu hören ist ausschließlich „eine Band, die Reißzwecken zum Frühstück (fr)ißt“ („a Band who eat thumbtacks for breakfast“).
Unterstützt wird dieses Image noch von der Covergestaltung. Diese arbeitet noch mit Bildern aus der Zeit, zu der die Stücke aufgenommen wurden. Deshalb ist hier, anders als bei den Fernsehauftritten aus der selben Zeit, noch eine langhaarige, leger gekleidete Band aus finster blickenden Gestalten zu sehen,
die schon mal mit der Waffe vor einem goldenen Royce Rolls posiert.
Damit ist gleichzeitig aber eines der Hauptprobleme bei der Vermarktung der vielseitigen Steve Gibbons Band angesprochen: Für die Single-Verkäufe wäre es vielleicht besser gewesen, auf die ruhigeren und popigeren Nummern zu setzten. Andererseits: Viele Käufer(innen) hätten solche Songs von einem 35-jährigen Bärtigen, der vom Gesicht her ohne Probleme zur Schiffsbesatzung von Kapt`n Ahab gehören können hätte, aber unterhalb des modischen Halstuchs so gekleidet war wie ein selbstverliebter professioneller Falschspieler in einem Salon im Wilden Westen, gekauft?
Intensive Tournee unterstützt Verkauf der LP
Das Album wurde mit ganzseitigen Anzeigen in Musikzeitschriften zu einem Preis von 2,49 Pfund beworben, in denen es hieß, dass sich darauf Stage Favourites finden würden. Außerdem wurde mit diesen Anzeigen eine weitere intensive Tournee angekündigt, bei der zwischen 1. Oktober und 5. November in nicht weniger als 21 Konzerten stattfanden.
Die „Reiseroute“ dabei war: Hastings, Plymouth, Bournemouth, Coventry, Swindon, Birmingham, Statford, Leeds, Cardiff, Edinburgh, Glasgow, Sheffield, Hanley, Chelmsford, Derby, Bracknell, London, Wolverhampton, Northhampton, Blackpool, Birkenhead, Southhampton, Eastanglia und Southend. (Bei einem Quizz über englische Geografie dürfte Steve Gibbons aufgrund seiner Tour-Erfahrungen vermutlich sehr gut abschneiden.)
Die Chartbilanz
Das Album schaffte es kurz in die britischen LP-Charts. Am 22.10.1977 stieg es dort auf Platz 43 ein, kletterte die Woche danach auf Platz 22 und schaffte es am 05.11.1977 nochmals auf Platz 51, bevor es wieder daraus verschwand.
In Großbritannien war es damit bezüglich der Chartplatzierung das erfolgreichste Album der Band.
Das mag manchen überraschen, da in der Wahrnehmung vieler sicher andere Alben, allen voran wohl „Down In The Bunker“, wesentlich prominenter daher kommen. Nicht ausgeschlossen auch, dass von „Down In The Bunker“, das sich insbesondere in Skandinavien sehr gut verkaufte, international und über die Jahre gesehen, weit mehr Exemplare verkauft wurden als von „Caught in The Act“.
„Caught In The Act, das Live-Denkmal für die „klassische“ Besetzung der Steve Gibbons Band
Die Steve Gibbons Band hat im Laufe der Jahre viele Live-Aufnahmen veröffentlicht, die die Band in ihren jeweiligen Inkarnationen dokumentieren. Unter diesen ist „Caught In The Act“ der einzige offizielle Tonträger, der einen Einblick in die Live-Qualitäten der aus Steve Gibbons, Trevor Burton, Bob Wilson, Dave Caroll und Bob Lamb bestehenden „klassischen“ Besetzung der Steve Gibbons Band gab. (Daneben gibt es von dieser Besetzung noch eine Live-LP, die die BBC nur für internen Zwecke hergestellt hatte. Diese Besetzung war übrigens nach dem Stammbaum im Buch von Jürgen Wanda die dritte personelle Inkarnation der Steve Gibbons Band)
Gleichzeitig markiert das Album zumindest im Rückblick die letzte Phase der Steve Gibbons Band mit ihrem klassischen Bad Boy-Image. Das nächste Album, das schon erwähnte „Down in the Bunker“ sollte nämlich einiges an akkustischen, aber auch optischen Neuerungen bringen.