Konzerte in der Heimat
Auch das Jahr 2009 brachte wieder viele Auftritte mit der Steve Gibbons Band und dem Dylan Project. Ein Gig mit der eigenen Band im Mai im Pacific Road Arts Centre, Birkenhead, ist auf You Tube, allerdings in zweifelhafter Ton und Bildqualität dokumentiert.
In seiner Heimatstadt Birmingham trat er bei der Lord Mayor Show auf. Bei ihr wird der jährlich wechselnde Oberbürgermeister, der eher eine repräsentative Funktion hat, bei einem kostenlosen Open-Air-Konzert verabschiedet und der neue begrüsst. Damals ging das Amt vom 99. Lord Mayor, dem in Pakistan geborenen Chaudry Abdul Rashid auf Michael Wilkes über. Mit von der Party war auch der Birimighamer Bassist Des Tong, der 1979 auf dem Zeppelinfeld in der Begleitband von Nils Lofgren gespielt hatte.
Rückkehr nach Nürnberg
Im weiteren Verlauf des Jahres führte der Weg Steve Gibbons zusammen mit seiner Band dann auch tatsächlich wieder zurück nach Nürnberg. Die Band kam nicht das erste Mal zurück, da sie seither dort eine eingeschworene Fangemeinde besitzt.
Tolle Festivalathmosphäre
Dies Mal aber sollten sie wiederum in einer ganz besonderen Ambiente auftreteten, nämlich beim Nürnberger Bardentreffen.
Dabei handelt es sich um ein jährlich im Sommer stattfindendes, dreitägiges Open-Air-Musikfestival, zu dem der Eintritt zu allen Konzerten, die auf mehreren Bühnen in der Altstadt stattfinden, frei ist, da die Kosten von der Stadt und Sponsoren getragen werden. Die Veranstaltung gilt als Deutschlands größtes „Umsonst und Draußen“-Festival. Seinen Ursprung und seinen Namen hat es im Jahr 1976 als es erstmals zum 400. Todestag des „Meistersingers von Nürnberg“ Hans Sachs stattfand. Die Meistersinger waren ein Zusammenschluss von mittelalterlichen Singer-Songwritern, die im Hauptberuf meistens Handwerker waren. Steve Gibbons als ehemaliger Klempnerlehrling passte also auch aus diesem Grund zu der Veranstaltung.
Während in den Anfangsjahren, ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend, politische Protest – und Liebeslieder das Bardentreffen prägten, entwickelte es sich danach zu einem Multi-Kulti-Festival. Eingeladen werden Liedermacher und Bands aus aller Welt, darunter, neben einigen etablierten Künstlern, vor allem junge und noch unbekannte Talente. So ergibt sich bereits im offiziellen Programm eine interessante Mischung.
Da die Auftritte auf mehreren Bühnen stattfinden, fließt an diesem Wochenende ein konstanter Menschenstrom von durchschnittlich 200.000 Besuchern durch die Stadt. Dies lockt auch Straßenmusiker aus dem In- und Ausland an, die außerhalb des Programms spielen. Nürnberg wird so an diesen Tagen bis weit in die Nacht hinein ein blubbernder und vibrierender musikalischer Kessel.
An bekannten ausländischen Künstlern traten hier schon Joan Armatrading, Arlo Guthrie, Lenningrad Cowboys, Billy Bragg und Alan Stivell auf. Unter den deutschen Künstler waren Klaus Lage, Heinz Rudolf Kunze, Wolf Mahn und Konstantin Wecker.
Die Steve Gibbons Band spielte auf dem Sebalder Platz. Die Bühne steht an der Nordflanke der mächtigen Kirche, die Musiker blicken über das Publikum hinweg auf historische Gebäude, die hoch zur Burg und zum Albrecht-Dürer-Platz aufsteigen. Dort gibt es eine Hausbrauerei, aus der sich viele Zuhörer des Bardentreffens mit Literflaschen dunklem Bier versorgen. Für eine entspannte Athmospähre war also gesorgt.
Live-DVD aufgezeichnet
Nach dem begeistert aufgenommenen Konzert, ging es für Steve Gibbons im September erst einmal mit The Dylan Project nach Griechenland. Im November kehrte er dann mit seiner eigenen Band nochmals nach Franken zurück, wo in Fürth, unweit von Nürnberg, die Aufnahme einer Live-DVD geplant war.
Auch wenn das schon einige Jahre her ist, kommt diese Aufnahme demjenigen, was einen heute erwartet, wenn man die Steve Gibbons Band live sieht, am nächsten. Nicht unbedingt von der Songauswahl her, aber vom Stil.
Gleichzeitig lassen sich anhand dieser DVD einige Charakteristika der Karriere von Steve Gibbons nachvollziehen.
- Diese DVD ist aufgrund des Engagements einer Gruppe von engagierten und fachkundigen Steve Gibbons-Fans entstanden. Das Entstehen dieser DVD belegt also, dass Gibbons eine über Jahrzehnte aufgebaute Fangemeinde hat, die ihn auch aktiv unterstützt.
- Wer diese DVD im Internet kaufen möchte, wird vermutlich nicht keinen Erfolg haben, da die Scheibe über keinen der üblichen Kanäle vertrieben wird. Vermutlich zählt diese DVD deshalb nach der Kassette „Tried`n`Tested“, die nur bei Konzerten verkauft wurde, zu den rarsten Tonträgern von Gibbons und seiner Band.
Das ist schade, denn das, was geboten wird, ist feinste Musik! Unserer Meinung nach ist dieser Mitschnitt doe logische Fortsetzung des in Hamburg aufgenommenen „Ridin`Out The Dark“ und gehört, zusammen mit der Fernsehaufzeichnung des Aufttritts im Londoner Golders Green Hippodrome 1977, den man nur auf You Tube finden kann, zu den kompaktesten und überzeugensten Liveaufnahmen der Band.
Die Steve Gibbons Band tritt in der Besetzungen
- Steve Gibbons (voc, harp, git)
- Phil Bond (piano, acordion)
- Johnny Caswell (bass)
- Howard Gregory (git, violin) und
- Howard Smith (drums) an.
Intimer Club mit besonderer Note
Nach dem Open Air Konzert vor tausenden Zuhörern im Sommer vorher waren nun zwei intime Clubkonzerte angesagt. Ort des Geschehens war die Kofferfabrik. Diese beschreibt eine Internetseite so:
Die Kofferfabrik ist ein freies Kulturzentrum in Fürth auf dem alten Fabrikgelände einer ehemaligen Kofferfabrik und zugleich eine Kleinkunstbühne mit außergewöhnlichen Projekten sowie jeder Menge Konzerte im Blues-, Klezmer-, Weltmusik-, Jazz-, Ska- und Latinbereich – und alles, wofür woanders kein Platz mehr ist. Außerdem bietet die Kofferfabrik eine Galerie mit ständig wechselnden Ausstellungen und eine offene Bühne für Rockmusik und Poetryslams. Auch im Theater finden Projekte statt, die woanders keinen Platz finden würden.
Kult seit über Jahren und Treffpunkt der (Sub-)Kulturszene aus Fürth und Nürnberg! Das ist die Kofferfabrik.
Man kann auch sagen: Die Kofferfabrik ist eine Zeitblase. Viele alte Konzertplakate von Künstlern und Gruppen, von denen man oft nicht mehr einmal wußte, dass sie noch auf Tournee gehen, an der Wand, kaum Sitzplätze. Es fehlt eigentlich nur noch der Zigarettenrauch, schon wäre man wieder in den 80-ern. Eine gute Athmosphäre für das, was sich später auf der DVD „Live At The Kofferfabrik“ findet.
Breites musikalisches Spektrum
Akkordeon, Geige und Mundharmonika setzen nicht akkustische Kleckse, sondern von ihnen wird ausgiebig Gebrauch gemacht. Dementsprechend stehen nicht die harten Rocknummern im Vordergrund, sondern es finden sich auch viele Songs im langsamen oder mittleren Tempo, die genüsslich ausgespielt werden, wobei ausreichend Platz für jeden Instrumentalisten bleibt. Neben Rockigem hört man Jazz-Einflüsse, Reggae und wenn an manchen Stellen zum Akkordeon ein französischer Text gesungen werden würde, wäre das Wort Chanson auf vermutlich nicht weit.
Wenig Coverversionen
Im Gegensatz zur vielen Konzerten der Band, die der Verfasser gehört hat, ist der Anteil von vier Cover-Versionen bei 17 Liedern insgesamt relativ gering. Das ist vermutlich dem Ziel geschuldet, auf der DVD das Spektrum der Eigenkompositionen möglichst umfassend abzudecken, was mit 13 Stücken aus allen Schaffensperioden durchaus gelingt. Da die Arrangemnts der gegenwärtigen Formation angepasst wurden, gibt es keine richtigen Brüche. Das Konzert ist aus einem Guss.
Reminiszenen in eigenen Songs versteckt
Und natürlich bleiben Reminiszenzen an Vorbilder letztlich doch nicht aus. Gibbons steckt sie, wie häufig, in seine Eigenkompositionen, meist in das letzte Drittel, in dem auch opulenter Platz für die einzelnen Instrumente ist, sich zu entfalten.
So hört man dann bei „The Memphis Flash“ Auszüge aus Elvis Presleys`“That`s Allright Mama“, im Song „Biggles`Fly`s Undone“ erklingt der Refrain von „She Loves You“ von den Beatles, und im (als Bonus-Track enthaltenen) Song über einen Migranten in Birmingham „Home From Home“ klingt der „Banana Song“ von Harry Belafonte an. Geballt kommt es in der auch ansonsten hörenswerten, mehr als 8 Minuten langen Version von „Down In The Bunker“, der hier kein Tango- sondern ein Reggaerhythmus zu Grunde liegt. Hier erklingen Versatzstücke aus „I am only Sleeping“ von den Beatles, „I don´t Wanna Wait In Vain“ von Bob Marley und „All Along The Watchtower“ von dem anderen Bob.
Kamercrew fängt Dynamik in Band ein
Etwas zurückhaltender als bei manch anderen Gelegenheiten ist Gibbons während des Konzerts mit seinen oft sehr langen, mäandernden gesprochenen Einleitungen, die mitunter zum nachfolgenden Song zu passen scheinen wie die Faust aufs Auge – und dann doch irgendwie im richtigen Moment die Kurve noch bekommen.
Ein gutes Beispiel hierfür findet sich in den Bonustracks der DVD bei dem Bob Dylan Cover „She Belongs To Me“.
Hier merkt man der Kameraführung auch an, dass mit Nikolaus Struck und Irfan Taufik hier eine Crew am Werk war, die die Band sehr gut kennt.
Die Kamera konzentriert sich nämlich bei der gesprochenen Einleitung von Steve Gibbons nicht nur auf diesen, sondern fängt auch die Rhythmusgruppe ein. So wird man Zeuge, sich Johnny Caswell am Bass und Howard Smith am Schlagzeug schmunzelnd Blicke zuwerfen, die wohl sagen wollen „Was ihm heute wieder alles so einfällt“.
Wer mit Steve Gibbons spielt, sollte routiniert sein, aber nicht auf Routine angewiesen sein. Da er häufig spontane Einfälle umsetzt, benötigen die mit Musiker eine gewisse Achtsamkeit, Flexibilität und Reaktionschnelligkeit. Autopilot ist hier nicht!
Die Songs
Das Album enthält ein Konzert mit 17 Songs. Diese sind:
- Tonight I’ll Be Staying Here With You
- No Spitting On The Bus
- Take It Easy
- One Of The Boys
- Alright Now
- Hot Club In Dreamland
- The Memphis Flash
- Don’t Trade Me In
- Eddy Vortex
- Point Of No Return
- Biggles‘ Fly’s Undone
- Johnny Cool
- Hey Buddy
- And Road Up
- Big J.C.
- Down In The Bunker
- Your True Love
Darüber hinaus gibt es vier Bonustracks, die wohl gesondert aufgenommen wurden. Dort finden sich zwei Eigenkompositionen, nämlich „Wer was I Last Night“ und das schon erwähnte „Home From Home“ sowie eine Reminiszenz an Carl Perkins „Boppin`The Blues“ DVD, DVD-Video) und eine an seinen Mega-Idol Bob Dylan („She Belongs To Me“).
Aufschlussreiches Interview
Darüber hinaus findet sich als Bonus ein Interview mit dem Feuilletonschef der „Nürnberger Nachrichten“ Steffen Radlmeyer. Patton Meye dieser hat mit dem Satz „Die Welt ist ungerecht. Wenn’s anders wäre, hätte ein Mann wie Steve Gibbons längst einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle des Rock ’n’Roll und würde in Riesenarenen auftreten“ nicht nur eine der treffenden Zusammenfassungen der Karriere von Steve Gibbons formuliert, sondern entlockt ihm, neben allerlei Anekdotischem aus der Frühzeit von Steve Gibbons als Musiker in Birmingham, seine Gastspiele in Militär-Clubs in den 1960 und das gescheiterte Supergruppe Projekt The Balls auch einige grundsätzliche Aussagen zu dessen Verständnis von Musik und Konzerten.
Ausgangspunkt ist hier die Frage an Steve Gibbons, ob er sich mehr als Songwriter, Sänger oder Geschichtenerzähler verstehen würde.
Hier treffen wir wieder auf seine Vorliebe zu Literatur und dramaturgischen Formaten. Gibbons antwortet nämlich:
I think it is a combination of all three.
I like songs with a beginning, a middle and an end. As a kid I loved poetry and I loved stories. And I tried to introduce that in my songwriting.
Because I think people, audiences like stories. I like to take them through an event. I feel the same way about a performance:
You don`t have to stick to the same stepping stones, but you can make an athmosphere. And then the people go away and feel like they have been on a kind of journey. And that`s the way I like to treat my live performances.Ich denke, es ist eine Kombination aus allen dreien.
Ich mag Lieder mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende. Als Kind liebte ich Poesie und ich liebte Geschichten. Und ich habe versucht, das in mein Songwriting einzubringen.
Weil ich glaube, dass die Leute, das Publikum, Geschichten mögen. Ich führe sie gerne durch ein Ereignis. Ich empfinde dasselbe bei einer Aufführung:
Man muss sich nicht immer an dasselbe Schema halten, aber man kann eine Athmosphäre schaffen. Und dann gehen die Leute weg und fühlen sich, als wären sie auf einer Art Reise gewesen. Und so gehe ich an meine Live-Auftritten heran.
Soundprobe im Internet
Der Mixer Andy Sperber, der für die von Udo Martin produzierte DVD, zusammen mit Philip Durham die Abmischung besorgte, ist (zu recht) stolz auf das Ergebnis seiner Arbeit. Deshalb hat er zwei der von ihm abgemischten Stücke („The Mississippi Flash“ und „All Right Now“) als Arbeitsproben in das Internet gestellt. Nachzuhören sind sie hier:
Charity zu Hause
Im Oktober des Jahres trat Gibbons dann bei der Bearwoodstock Charity Show auf. Einer von vielen Auftritten bei Wohltätigkeitsveranstaltungen. So ist das, wenn man musikalischer Honoratior in einer Stadt ist: Ob der Bürgermeister ruft oder die Charity, man sollte zur Stelle sein. Das gehört sich einfach so.
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