Strammes Konzertprogramm: Vom Opening Act zum Headliner
Auf der Bühne war die Steve Gibbons Band, vor allem durch die US-Tour mit The Who, ein großes Stück weitergekommen. Aber auch ohne The Who absolvierte man, vor und nach der gemeinsamen US-Tour, auf den Bühnen der heimatlichen Insel ein strammes Konzertprogramm. Dabei arbeitete man sich 1976/77 von der Vorgruppe zum Headliner hoch.
Stammgast in einigen Konzerthallen: Das Apollo in Glasgow als Beispiel
In einigen Konzerthallen wurde man bei dieser Marathontournee sogar Stammgast. Eine davon war das Apollo im schottischen Glasgow:
- Dort eröffnete man am 13. Februar 1976 für Lynyrd Skynyrd.
- Für diese Gruppe übernahm man denselben Job ein Jahr später nochmals kruzfristig. Und erlebte dabei Lynyrd Skynyrd kurz vor der tragischen Katastrophe, die einigen Bandmitgliedern das Leben kosten sollte. Ein Besucher erinnert sich:
„(I) was fortunate enough to see the original Skynyrd line up in the UK in 1977 on their ‚One more from the road tour‘ in Portsmouth Guildhall. The original gig had been scheduled for I think February but Ronnie Van Zant had a throat infection and the gig was postponed. Skynyrd being Skynyrd simply tacked in on the back end of their tour and actually played Pompey in March. Their support band had to return to the States so they grabbed hold of Birmingham (UK) Rockers ‚Steve Gibbons Band‘ (Check out the sleeve notes on SGB Live) who had just finished touring with Be-Bop Deluxe. What a gig and what memories I have of that time. Little did we know the tragedy that was to befall Skynyrd later that same year.
- Am 26. Juni 1976 war man schon wieder im Apollo in Glasgow, dieses Mal als support von ELO. (Persönlich dürfte Steve Gibbons bei dieser Tournee jedoch das Konzert am 19. Juni 1976 mehr bewegt haben. Das fand nämlich in Manchester in der Free Trade Hall statt, in der Bob Dylan eines seiner berühmtesten Konzerte gegeben hat.)Am 15. und 16.Oktober 1976 trat die Steve Gibbons Band dann erneut in Glasgow auf, dieses Mal als Opening Act für The Who.
- Der Winter war noch nicht vorbei, da war spielte man nochmals am selben Ort. Am 25. Februar 1977 eröffnet man an selber Stelle für Ted Nugent. Die Aufgabe als Vorgruppe muss ähnlich herausfordernd gewesen sein, wie die als „support“ von The Who. Schließlich machte Nugent vor allem durch seine Lautstärke von sich reden. Deshalb stand die Tournee auch unter dem Motto: „If it`s too loud, You are too old“. Deshalb erwartete sich das Publikum sicher auch von der ersten Gruppe des Abends kernige Unterhaltung.
- Und am 23. November 1977 war es dann endlich soweit: Man war im Apollo selbst der Hauptact. Bis das Publikum die Steve Gibbons Band als headliner hören konnte, musste es allerdings das Konzert der Vorgruppe Bethnal über sich ergehen zu lassen. Und diese scheint nicht sehr erbaulich gewesen sein. Ein Zuhörer erinnert sich:
Suffice to say they were the worst support act I saw in all my years of Apollo gigs – and that’s saying something. I usually watched support bands with an open mind but I can’t say anything more positive
Typische Fußbekleidung, typische setlist
Eine Konzertbesucherin erinnert sich dagegen vor allem an die Fußbekleidung des Sängers der Hauptband:
Steve Gibbons wore knee length boots!
Und recht hat sie! Diese Schuhe sind nämlich auch auf dem Plattencover zu finden:![]() |
Von dem Konzert als Hauptact ist übrigens die setlist erhalten. Sie gibt einen Eindruck davon, was die Band damals so live spielte:
- „Rollin`“,
- „Git It“,
- „One Of The Boys“,
- „Tulane“
- „Mr. Jones“,
- „Tupelo Mississppi Flash“,
- „He Gave His Life To Rock`n`Roll“,
- „No Spittin` On The Bus“,
- das Beatles-Cover „Day Tripper“,
- „Speed Kills“ und
- „Light Up Your Face“
standen an diesem Abend auf dem akustischen Speiseplan. Man setzte also eher auf rockige Nummer, während man die ballladenhaften Stücke außen vorließ!
Plattenaufnahmen mit Unterstützung von The Who, Starproduzent und Starfotograf
Trotz dieser vielen Live-Verpflichtungen musste die Steve Gibbons Band noch einige Zeit für andere Aktivitäten freihalten. Das neue Management hatte nämlich die Steine aus dem Weg geräumt, die Steve Gibbons (und wohl auch Trevor Burton, der ja ebenfalls Mitglied der Balls und dadurch an Tony Secunda vertraglich gebunden war) an Plattenaufnahmen hinderten.
Deshalb konnte die Band nun, im Jahr 1976, die auf dem US-Label MCA erschienenen Erstlings „Any Road Up“ mit der Mark II-Besetzung der Steve Gibbons Band (Steve Gibbons, Trevor Burton – der Bob Griffin ersetzt hatte –, Dave Caroll, Bob Wilson und Bob Lamb) aufnehmen.
Auf dieser LP finden sich ausschließlich Kompositionen von Steve Gibbons, allen voran die rockigen Nummern „Johnny Cool“, „Natural Thing“ und „Speed Kills“, die man auch heute noch häufig bei seinen Auftritten hört.
With a little help from my friends from The Who
Die Platte entstand mit Unterstützung von mindestens drei Mitgliedern von The Who.
- Hörbar ist auf der LP John Entwistle, der darauf auf einigen Nummern Bass spielt und im Background singt.
- Außerdem wurde das Album u.a. im Eel Pie Studio, das Pete Townsend gehörte, aufgenommen.
- Und erschienen ist die Scheibe bei dem Label, Gold Hawke, dessen Miteigentümer Roger Daltrey
- Und als Manager sind auf der Plattenhülle die Who-Manager Bill Curbishley und Pete Meaden, also der damals aktuelle und der frühere Manager von The Who
Man war also bestens im Who-Stall integriert und pflegte enge Kontakte zu den Musikern der Band, die sich auch persönlich einbrachten, um die Karriere der Steve Gibbons Band zu fördern!
Produzent steigt später in Rock`n`Roll Walhalla auf
Und auch die anderen Beteiligten waren prominent: Produziert wurde die Scheibe von Kenny Laguna, der sie auch – zusammen mit John Entwistle – abmischte.
Laguna ist ein US-amerikanischer Musiker, Songwriter und Produzent, der u.a. bei der Bubble Gum Band Ohio Express auf deren Album Yummy Yumm keyboards gespielt hatte. Jahre später sollte er Joan Jett produzieren, und dafür im Jahr 2015 zusammen mit dieser und ihrer Band The Blackhearts, in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde.
Exkurs: Der fehlende Stern am Birminghamer Walk of Stars
Übrigens gibt es in Birmingham einen „Walk of Stars.
Dort haben viele Leute einen Stern, bei denen man das nachvollziehen kann, wie Ozzy Osborne zum Beispiel, oder Joan Armatrading. Von anderen dagegen hat man als „Nicht-Brummie“ nie gehört. Und man wundert sich, warum Steve Gibbons noch nicht mal unter den Nominees für die nächste Auswahl ist.
Aber warum sollte man in Birmingham mit seinen Propheten anders umgehen als anderswo in der Welt?
War er trotzdem der richtige Produzent für die SGB?
Der Produzent Laguna wurde also in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen! Das klingt gut, muss aber nicht heißen, dass er für die Steve Gibbons Band unbedingt der beste Produzent war.
Und tatsächlich gibt es Stimmen, die die Auswahl für nicht sehr glücklich hielten. Dazu gehören sowohl eingefleischte Steve-Gibbons-Kenner aus dem hohen Norden wie damalige Bandmitglieder:
- Der schwedische Musikjournalist Håkan Pettersson etwa stellt fest, dass die Platten der Steve Gibbons Band „mit einem Amerikaner an den Schalthebeln durchweg unpersönlicher“ wurden, als es für eine etablierte Live-Band wie die SGB gut gewesen wäre.
- Und auch der damalige Drummer Bob Lamb, der heute selbst ein Tonstudio besitzt, äußert in der BBC-Dokumentation „Untold Stories“ kritisch zu den Qualitäten der Studio-LPs der Band:
We were a great live band and we were a sort of local heroes in Brimingham… We did very very well in America (but) we made some terrible records in my opinion. Most oft he albums we made weren`t up to par as far as I am concerned. I just didn´t like the recording.
to be up to par = dem Standard entsprechen, die Anforderungen erfüllen
Und für das Cover der Fotograf der Beatles, der Stones und der Royal Family !
Auch beim Fotografen für das Coverfoto sparte man nicht. Gleichzeitig ist es aber auch hier fraglich, ob man den richtigen Man (oder das richtige Motiv) gewählt hatte. Man engagierte Terry Neill, der vorher schon die Beatles, die Rolling Stones und die königliche Familie auf Zelluloid gebannt hatte.
Dieser fotografierte die Band in Cowboy-Manier als verschworene Gang von harten Männern, ganz so, als würden sie sich gleich auf der staubigen Straße einer Westernstadt ein Duell mit irgendwelchen Rivalen liefern.
„Any Road Up“: Die erste LP der Steve Gibbons Band
Auch hier wieder die Frage: Passt das wirklich zusammen ?
Das Cover des Albums „Any Road Up“, das als Nr. MCA-2187 auf MCA Records erschien, hätte super zum Inhalt einer Platte wie der späteren Live-LP „Caught In The Act“ gepasst. Es passte auch hervorragend zu dem Eingangssong der Erstlings-LP „Take Me Home“, der schon nach den ersten Takten deutlich macht, dass die Steve Gibbons Band durchaus in der Lage ist, die harten Jungs zu geben.
Das Problem ist nur, dass auf dieser Platte lediglich zwei – wenn man großzügig ist, auch drei Songs – musikalisch in die härtere Richtung, die das Cover suggeriert, gehen („Johnny Cool“, „Speed Kills“ und „Natural Thing“).
Die anderen fünf Lieder – und damit der überwiegende Teil der Platte – müssen dagegen eher zur Balladen- oder Pop-Fraktion gerechnet werden (`Rollin`, Spark of Love, Standing On The Bridge, Strange World und Sweetheart.) „Strange World“ hätte man sogar in jeder Disco-Fox-Runde auflegen können, ohne, dass sich die Tanzfläche geleert hätte!
Wer die Band vorher live gehört hatte oder wer auf das Image des Coverbildes vertraute, wurde also auf eine falsche Fährte gelockt. Wieder einmal die falsche Verpackung für ein gutes Produkt!
„Johnny Cool“: Neo Noir-Song in Billboard Charts
Das Album konnte sich nicht in den Charts platzieren. Und auch die ausgekoppelten Singles hinterließen – bis auf eine – keine Spuren in den Hitparaden.
Immerhin schaffte es die 45-er „Johnny Cool“ in den USA auf Platz 72 der Billboard Top 100.
Vorbild für den Song war übrigens ein amerikanischer neo noir Krimi-Film aus dem Jahr 1963, in dem auch der spätere Kojak-Darsteller Telly Savalas mitspielte. Eine weitere Rolle hatte Sammy Davis Jr. Inne, der darin auch einen Song namens „The Story of Johnny Cool“sang.
Musikalische Ähnlichkeiten mit dem Lied der Steve Gibbons Band und diesem Song bestehen jedoch nicht. Wer aber das 2008er Album „Chasing Tales“ der Steve Gibbons Band anhört, wird zwischen „The Story of Johnny Cool“ und dem dortigen Song „The Chase“, der ebenfalls sehr noir ist (und in dem sogar das Wort „film noir“ vorkommt), Ähnlichkeiten in der Schlagzeugbegleitung bemerken.
Manche rote Fäden, die sich durch musikalische Karrieren ziehen, können sehr sehr lang sein!
Bücher mit geheimen Botschaften Teil I
Dazu gehört nicht nur das Faible für finstere Typen und schwarzschattierte Geschichten sondern auch dezente Hinweise auf Bücher auf Coverrückseiten und Innenhüllen.
Die Rückseite des Erstlings sah so aus:
Viel Cowboy-Romantik (Hut und Revolver), der Notizblock eines Detektivs und eine kleine Spitfire, neben der damals unvermeidlichen klimmenden Zigarette. Hier sind Motive aus verschiedenen Steve Gibbons-Songs zu Bildern geworden.
Richtig rätselig wird es jedoch, wenn man den Text auf diesen beiden Seiten liest. Er steckt nämlich voller Anspielungen. .
Da lassen Namen früherer Bands zwischen den Zeilen hindurch grüßen:
After all these guys had spent a long time being idle
Lokale der Birminghamer 60s Szene werden erwähnt
were sitting down at the old Club Cedar
und ab und an findet sich ein Songtitel
.. and did the natural thing
… it became a sweet sanctuary in strange world
„Gotta light Mac?“ he said,
No, but I gotta little spark of love.
Musik zum in der Hand halten, Design und das Cover als Osterwiese mit versteckten Botschaften.
So geht Schallplatte!
Zur Fortsetzung geht es hier.
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